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Start in die Wander­saison

Warum der richtige Kinderschuh elementar ist

Ab in die Wander­saison! Warum nun gerade für Kinder ein guter Wanderschuh sinnvoll ist, lest Ihr hier.

Imagefoto mit dem CADIN GTX LO, 2021_Dr. Micha Bahr

Dr. Micha Bahr

Lehrpfade

Antoine de Saint-Exupéry „Alle großen Leute waren einmal Kinder, aber nur wenige erinnern sich daran.“

Dieses Zitat stellt uns bei der Entwicklung von Kinder­pro­dukten vor ein großes Problem. Denn diese werden meistens von „großen Leuten“ gemacht, die sich sicher sind, zu wissen, was für Kinder gut ist. Außerdem werden diese Dinge dann meistens von „großen oder sogar sehr großen Leuten“ gekauft, die auch ganz genau wissen was Kinder benötigen.

Das beste Beispiel hierfür sind Schul­ranzen. Diese werden meist von den Groß­eltern zur Einschulung geschenkt. Hier wird dann meist nach dem Preis entschieden. Dass häufig so manches Modell dabei ist, das zum Beispiel ein unprak­tisches Trage­system hat, spielt dann gar keine Rolle.

Das liegt daran, dass wir uns nicht mehr erinnern, was wir uns als Kind gewünscht haben. Das ist jetzt ein ziem­licher Anspruch, den ich da erhebe, weil mir dieses Erinnern als Kinder­chirurg sehr leicht fallen muss. Aber wenn wir etwas für Kinder schaffen, sollten wir uns daran erinnern, was wir uns als Kinder gewünscht hätten – zum Beispiel von einem guten Schuh.

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Eine Reise durch die Zeit

Ich möchte Euch mitnehmen, auf eine Erin­ne­rungsreise in die Kindheit. Wir werden sehr schnell fest­stellen, dass das gar nicht so leicht ist. Wenn wir mit Mama Schuhe kaufen waren, dann spielte zunächst die Optik eine große Rolle. Das Ganze spielte sich dann meist folgen­dermaßen ab: Der rosa Schuh wird sicherlich für Lieschen ganz toll sein, bei Kevin aber fürch­terlich drücken. Dann war es wichtig, dass man in dem Schuh rennen kann. Als Kind rennt man schließlich gerne. Ich beobachte immer wieder, wie Kinder im Schuhladen rennen. Das ist allerdings nur ein Ausdruck der Bewe­gungs­freude von Kindern. Außerdem sollten die Schuhe bequem sein. Sie sollten sich am besten schön weich anfühlen. Ein bisschen wie Sneaker und natürlich leicht sollten sie sein.

Bei uns war es dann auch noch so, dass die Kinder mit Klett­ver­schluss­schuhen die Looser waren, weil sie sich die Schuhe nicht binden konnten oder nicht wollten. Das ist heute eher umgekehrt. Außerdem will man draußen klettern und rumräubern, was impliziert, dass der Schuh eine gute flexible Sohle haben sollte. Lässt man dann noch ein wenig „große Leute“-Wissen in die Entwicklung einfließen, dann kommen ganz tolle Schuhe heraus, die es eigentlich so gar nicht geben dürfte …

Der kindliche Bewe­gungs­apparat

Richtig wäre eigentlich folgendes: Der kindliche Bewe­gungs­apparat befindet sich im Wachstum. Das heißt, dass ein ständiger Umbau statt­findet. Die Knochen sind noch nicht voll­ständig verknöchert. Viele Teile sind noch knorplig angelegt, was deren Skelett weicher und damit anfälliger für Verfor­mungen macht. Außerdem ist der Band­apparat noch nicht so kräftig, wie bei Erwachsenen und das Muskel­system ist noch nicht voll­ständig ausgereift.

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Wenn es mit der Familie in die Berge gehen soll, dann ist meistens klar, dass die Erwachsenen gute Schuhe brauchen. Hier möchte ich auch gar nicht wieder­sprechen. Ich beobachte häufig die verschie­densten Ansätze: Für die einen ist der Schuh erst dann richtig, wenn er nicht über den Knöchel geht. Sportlich soll er sein. Egal, ob es hoch hinaus geht. Hier wird allerdings spätestens am Nach­mittag über müde Beine geklagt. Für andere ist der Schuh nur dann richtig, wenn er über den Knöchel geht – selbst, wenn es sich nur um eine kleine Spazier­gan­grunde dreht. Bei tech­no­philen Männern gibt es dann auch noch den, der im absoluten High-End-Alpinschuh den Kinderwagen um den Alpsee schiebt. Aber sind wir einmal ehrlich: Es gibt sicherlich schlimmere Fremdschäm-Situa­tionen als diese.

Von Prin­zes­sinnen und Freiraum-Experten

Wenn es aber um die Schuhe unser Nach­wuchs­al­pi­nisten geht, sind wir total entspannt. Warum sollten wir uns Sorgen machen. Kinder sind zufrieden mit dem, was Mama ihnen anzieht. Zudem wollen sie sowieso nur einen halbhohen Schuh. In Schuhen, die über den Knöchel gehen, fühlen sie sich einge­sperrt.

Sätze wie „meine Elisabeth ist ja so eine Prin­zessin, die würde sich nie in so einen Wanderstiefel zwängen lassen“ oder „unser Xaver braucht seine Freiräume und wenn seine Füße einge­sperrt werden, wird er immer ganz wuschig“, hören wir immer wieder.

Insgeheim sind es meist die Eltern, die lieber Turn­schuhe statt Wanderstiefel tragen. Ein anderes Thema ist der Preis. Ein guter Wanderschuh für Kinder ist sehr hoch­preisig. Viele möchten daher für die kurze Zeit im Jahr nicht so viel Geld ausgeben. Das ist völlig nach­voll­ziehbar. Hierzu ist aber zu sagen, dass die von uns entwi­ckelten Wanderstiefel für Kinder alle sehr gut über das ganze Jahr im Einsatz sein können, weil sie so bequem und leicht sind, dass der Kinderfuß sich darin sicher und sehr wohl fühlt.

Vom Suchen und Finden des richtigen Schuhs

Wenn man nun auf die Inter­netseiten großer Outdoor- oder Sport­ge­schäfte geht und hier den Such­begriff „Kin­der­wan­derschuh“ eingibt, wird man sehr schnell fest­stellen, dass man über­wiegend Schuhe findet, die bei Erwachsenen im unteren Trekkings­egment angeboten werden. Die Modelle sind meistens modi­fi­zierte Sport­schuhe mit einer etwas gröberen Sohle.

Wenn man dann in die Details geht und sich die Schuhe näher ansieht, fallen viele Dinge auf, die man nicht mit den natur­gemäßen Bewe­gungs­ab­läufen erklären kann. Leider findet man häufig eine Anein­an­der­reihung von ungünstigen Konstruk­tionen.

Dies war der Grund, warum ich mich mit meiner Familie im Frühjahr 2016 auf die spannende Reise begeben habe und wir große deutsche Berg­schuh­schuster kontak­tierten, ob ein Interesse besteht, mit uns einen Kinder­bergschuh zu entwickeln. Dieser sollte auch alltags­tauglich sein, damit man den Preis, den so ein Schuh kosten würde, auch recht­fertigen kann.

Ich bekam von einem Hersteller eine Rück­meldung, weshalb jetzt mein Blog auch auf dieser Website veröf­fentlicht wird. Ich kann heute mit 100 prozentiger Sicherheit sagen, dass es der Richtige war. Nach zunächst kritischer Zurück­haltung von Seiten der Berg­schuh­schuster nahm das Projekt dann sehr schnell an Fahrt auf und es entstand eine durch Freund­schaften geprägte Zusam­me­n­arbeit, in der noch viele Projekte folgen werden. Ich werde nie den Tag vergessen, an dem mir der erste gemeinsam entwi­ckelte Kinderschuh vorge­stellt wurde. Ich konnte spüren, dass sie verstanden hatten, dass ihre neue Entwicklung einfach Sinn macht.

  • Imagefoto mit dem LEDRO GTX® MID JUNIOR, Kids Testing

Der Weg zum Kinder­wan­derschuh

Wir hatten zu Beginn der Entwick­lungsphase den Produkt­de­signern ein Lastenheft vorgelegt und auch jeweils medi­zinisch begründet, warum wir Wert auf diese Details legen. Dies machte die Umsetzung leichter, weil verstanden wurde, warum etwas so und nicht anders sein sollte.

Anhand dieses Lasten­heftes wurden die neuen Schuhe entwickelt. Unsere Schwer­punkte lagen zunächst darauf, eine kind­ge­rechte Sohle aufzubauen, was LOWA exzellent meisterte. Weitere Schwer­punkte waren der Zehendom, die Fersenkappe, der Halt im oberen Sprung­gelenk und die Höhe und Beschaf­fenheit des Schaftes. Zuletzt wurde die Schnürung diskutiert. Wir waren uns eigentlich von Anfang an einig, dass es eine herkömmliche Schnürung sein sollte.

Diskutiert wurde dennoch, weil die Schnürung ein Verkaufs­ar­gument ist. Leider leben wir in einer Zeit, in der jeder Zwei­jährige das Smartphone seiner Mutter besser kennt als die Mutter selbst, aber als Sechs­jähriger sich immer noch nicht die Schuhe binden kann. Im Gelände ist es aber wichtig, dass der Schuh gut am Fuß sitzt. Das ist am einfachsten mit einer herkömm­lichen Schnürung zu gewähr­leisten. Wird auf eine große Wanderung gegangen, sollten die Eltern sowieso die Schnürung und den Sitz des Schuhs kontrol­lieren, um Über­ra­schungen vorzu­beugen.

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Alles in allem sind am Ende Kinder­schuhe entstanden, die sowohl medi­zinisch sinnvoll sind, aber auch von den Kindern akzeptiert werden. Als wir mit einer Rasselbande auf Test­wanderung gegangen sind und die Kinder die Schuhe das erste Mal anzogen, sagten mehrere ganz spontan „oh die sind aber bequem“ und dann wurde losgerannt. Ein besseres Kompliment hätten wir uns nicht wünschen können.

In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Einstieg in die Wander­saison 2022!

Euer Micha